Menschen auf der Flucht – der Dschungel Calais
Im Zweiten Weltkrieg war Calais erneut ein zentraler Schauplatz: Die Stadt wurde von deutschen Truppen besetzt und zu einem Verteidigungsbollwerk ausgebaut. Nach intensiven Kämpfen im Jahr 1944 wurde sie schliesslich befreit, doch die Zerstörungen waren enorm. Heute erinnert Calais auch an die Evakuierung von Dünkirchen, bei der zehntausende Soldaten über den Ärmelkanal gerettet wurden – ein historisches Symbol für Flucht und Rettung, das in der Gegenwart eine traurige Parallele zur Flüchtlingskrise zieht.
Seit den 1990er Jahren ist Calais nicht nur ein Ort von historischer, sondern auch von humanitärer Bedeutung. Der „Dschungel von Calais“ – ein informelles Flüchtlingslager – wurde zu einem Symbol für die Herausforderungen und Spannungen der europäischen Migrationspolitik. Tausende Menschen aus Konfliktgebieten wie Syrien, Afghanistan und Sudan haben hier Zuflucht gesucht, in der Hoffnung, eines Tages Grossbritannien zu erreichen.
Ich begegnete einer Gruppe syrischer Flüchtlinge, die in der Nacht zuvor versucht hatten, den Ärmelkanal zu überqueren. Ihr Boot war gekentert. Trotz ihrer Erschöpfung und ihrem Schmerz schenkten sie mir ihr Vertrauen, erzählten ihre Geschichten und erlaubten mir, diesen Moment mit der Kamera festzuhalten.
Calais selbst wirkte auf mich wie ein Ort, der zwischen seiner Geschichte und seiner Gegenwart zerrissen ist. Auch ich fühlte mich verloren in dieser sonderbaren Stadt. Die Spannungen zwischen Einheimischen und Flüchtlingen sind allgegenwärtig. Dennoch hatte ich den Eindruck, dass viele Bewohner eine stille Empathie für die Flüchtlinge empfinden – ein leiser, aber hoffnungsvoller Beweis für Menschlichkeit inmitten des Chaos.